Seit mehr als zehn Jahre arbeite ich nun schon als Innenarchitektin. In der Zeit habe ich einiges ausprobiert, wie ich besser kreativ arbeiten kann. Welche Orte, Rahmenbedingungen und Tageszeiten meine Arbeit fördern oder eben nicht. Hier will ich dir einen kleinen Einblick geben und einen Dialog starten. Denn jeder Kreative tickt ganz unterschiedlich und ich gespannt mehr über deine kreativen Rituale zu erfahren.
Die Freiheiten der Selbstständigkeit
Schon relativ kurz nach dem Studium habe ich mich selbstständig gemacht. Das gab mir die Freiheit zu arbeiten, wann und wo ich will. So war ich nie gebunden an klassische Arbeitsstrukturen und habe viel ausprobiert wie ich am liebsten arbeite. Schnell fand ich heraus, dass für jede Tätigkeit ein anderer Ort, andere Rahmenbedingungen und unterschiedliche Tageszeiten förderlich sind.
Gerade für die kreative Arbeit habe ich oft eher ungewöhnliche Orte aufgesucht. Schon damals war ich ein Flowseeker und habe viel ausprobiert, wie ich in einen Flow-Zustand kommen kann. Denn das waren die Momente, in denen ich meine besten kreativen Ideen hatte.
Was bei mir gut funktioniert und was meine kleinen Tricks sind, will ich hier kurz vorstellen. Das soll natürlich nicht heißen, dass du es so eins zu eins für dich übernehmen kannst. Aber vielleicht gibt es dir ein paar Impulse, welche du für dich ausprobieren kannst.
Meine Arbeit
Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich Innenarchitektin bin. Mein Hauptfokus liegt auf der Büroplanung. Das mag vielleicht erstmal langweilig klingen, ist es aber gar nicht. Die meisten Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens im Büro, umso wichtiger ist es, dass es ansprechend und funktional gestaltet ist.
Bei der Planung von Arbeitswelten kommen viele Aspekte zusammen, die Vorstellungen der Geschäftsführung und die Wünsche der Mitarbeiter, aber auch wirtschaftliche, funktionale und repräsentative Anforderungen. Denn das eigene Büro ist auch immer die Visitenkarte nach draußen und ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur.
Meine Arbeitsphasen bei Projekten
Die Grundlagen
Der Mensch
Zum Start nehme ich mir oft viel Zeit, den Kunden intensiv kennenzulernen. Neben der Geschäftsführung unterhalte ich mich noch mit Vertretern der einzelnen Abteilungen, um so einen Einblick in die interne Welt zu bekommen. So kann ich den Kunden erleben und schnell sehen, wie Strukturen funktionieren und wo es hakt.
Der Raum
Neben den Menschen ist es der Raum an sich, den ich einfach fühlen und begreifen musst. Was sind die Qulitäten? Was sind bauliche Themen?
Die Recherche
Mein Augenmerk liegt darauf, die Branche des Unternehmens zu verstehen und zu schauen wie die Konkurrenz sich darstellt. Dann bringe ich die Theorie (Unternehmenskultur, Selbstdarstellung) mit der gelebten Realität in Abgleich. Wie stellt sich das Unternehmen nach außen dar? Wie sind die Wünsche und Ziele der Geschäftsführung? Wie sieht die gelebte Realität aus?
Die Zusammenfassung
Da ich ein sehr visuell veranlagter Mensch bin, brauche ich den visuellen Input. Am Ende meiner Recherchearbeit fasse ich die wichtigsten Aspekte mit Papier und Stift zusammen. Das mag Oldschool klingen, hilft mir aber die Punkte tief in mir zu verankern. Was wichtig ist, da ich intuitiv die Unternehmenskultur in der späteren Arbeit auf den Raum übertrage. Das kann ich nur, wenn ich alle Aspekte verinnerlicht habe.
Die Pause
Aus Erfahrung weiß ich, dass ich nicht direkt zum nächsten Arbeitsschritt übergehen kann. Ich brauche eine Pause vom Projekt, damit die Informationen sacken können. Wenn die Zeit es zulässt, schlafe ich auch eine Nacht darüber. Meistens versuche ich die Phase direkt in meiner Planung zu berücksichtigen. In der Zwischenzeit arbeite ich an anderen Projekten weiter.
Manchmal habe ich einen Aha-Moment und eine Idee kommt mir einfach so. Dadurch dass ich das Projekt gedanklich losgelassen habe, konnte es im Unterbewußtsein weiterarbeiten.
Wenn das nicht funktioniert, habe ich zwei Methoden, die sich besonders in dieser Phase bei mir bewährt haben.
1. In Natur gehen
Anstatt mich an den Schreibtisch zu setzen, gehe ich lieber raus in die Natur. Mein Lieblingsplatz ist am Rhein. Hier kann mein Blick weit schweifen und meine Gedanken fließen mit dem Fluss mit, dass ist entspannend und stimulierend zu gleich.
2. Bewegung
Ansonsten brauche ich Bewegung, ich gehe spazieren, laufen, radfahren oder schwimmen. Das sind alles Aktivitäten, die wiederholende Bewegungsabläufe haben, die mich in Flow bringen. Dann fahre ich vertraute Strecken entlang des Rheins und lasse meine Gedanken schweifen.
Meditatives Nachdenken
Bevor ich starte, habe ich eine klare Frage oder Problem in meinem Kopf formuliert. So beginne ich darüber nachzudenken. Immer wenn meine Gedanken abschweifen, fokussiere ich mich wieder auf die Frage. So aktiviere ich mein Unterbewußtsein, sich mit dem Problem auseinander zu setzen. Entweder bekomme ich schon unterwegs erste Ideen oder kurz darauf.
Der Autor Cal Newport nennt diese Methode im Buch „Deep Work“: Productive Meditation.
Die Blockaden
Das funktioniert leider nicht immer. Und ich habe gelernt es zu akzeptieren und anstatt es dann krampfhaft zu versuchen, einfach auf später zu verschieben. Gerade in Zeiten, in denen ich viel um die Ohren habe, ist es schwerer die Gedanken zu beruhigen und sich auf ein neues Projekt einzulassen.
Das hat früher oft zu Frust und vielen zerknüllten Papieren geführt. Es war nicht so, dass ich gar keine Ideen hatte, aber ich war meistens nicht mit ihnen zufrieden.
Sport & Schlaf
Oft hilft es mir dann, mich körperlich beim Sport auszupowern und alles für eine Zeit zu vergessen. Manchmal fehlt mir auch einfach die Energie, dann hilft eine gute Nacht Schlaf. Am nächsten Morgen kann es dann mit frischer Energie weitergehen. Gerne auch früh morgens, wenn die Welt noch friedlich ist und es keine störenden Anrufe und Emails gibt.
Die Ideen-Phase
Wenn ich erste Ideen und Ansätze habe, setze ich mich meistens hin und versuche sie weiter auszuarbeiten. Gerade am Anfang hilft es mir nicht am Schreibtisch zu sitzen und mit der Hand ein paar Ideen aufzuscribbeln. Fernab vom Internet und anderen Störungen. In dieser Phase ziehe ich mich meistens zurück und bin nicht erreichbar.
Störungen minimieren
Für mich ist der Flugzeugmodus zu einem Rückzugsort geworden, in dem ich konzentriert arbeiten kann. Gerade in der Ideen-Phase sind Gedanken sehr fragil und können schnell wie ein Kartenhaus zusammenfallen. Von daher ist es wichtig für mich, dann nicht aus meinem Flow herausgerissen zu werden. So kann ich mir im Kopf die Räume vorstellen und ganz in meiner Arbeit versinken.
Die Bewertung
Mit etwas Abstand schaue ich mir das Konzept an. Versuche es aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und zu bewerten. Passe Dinge an und entwickle das Konzept weiter. Da ich oft alleine arbeite, passiert das meist in einem inneren Dialog. Ansonsten ist das die Phase in der ich mich mit Kollegen austausche und mir ihr Feedback einhole.
In dem Prozess fallen einige Ideen weg oder werden weiterentwickelt. Manche Punkte bestehen nicht den Test und ich versuche neue Ansätze zu finden. Was meistens einfacher ist, da es bereits eine gute Basis gibt.
Die Ausarbeitung
Steht das Konzept fest, entwickle ich eine To-Do-Liste mit allen anstehenden Arbeiten für die Kundenpräsentation. So weiß ich, ob ich zeitlich alle Sachen bis zum Termin erledigen kann oder gegenbenenfalls Unterstützung brauche. Ab jetzt arbeite ich strukturiert meine Liste ab, das passiert meistens am Schreibtisch.
Die strukturierte Arbeit vermeidet viel Stress und erspart mir oft Nachtschichten, da ich die Sicherheit habe bis zum Termin fertig zu werden.
Der Rest
Das ist erst der Anfang, denn die kreative Arbeit macht nur einen kleinen Teil meines Jobs aus. Im Anschluss erfolgt die Detaillierung in Abstimmung mit dem Kunden und den Handwerkern. Dann kommt die bauliche Umsetzung und am Ende kann ich durch die fertigen Räume gehen, was immer ein spannender Moment ist. Jetzt wird sich zeigen, wie es von den Mitarbeitern angenommen wird und im Alltag funktioniert.
Was sind deine kreativen Rituale?
Dies war ein kleiner Einblick in meinen kreativen Prozess, der bei dir wahrscheinlich ganz anders aussehen kann. Vielleicht sind ein paar Punkte bei, die du für dich ausprobieren willst. Ansonsten bin ich neugierig, was sich bei deiner kreativen Arbeit bewährt hat und welche kleinen Tricks du verwendest.